GRUPPE – GEMEINSCHAFT – GESELLSCHAFT – KINDERRECHTE – DEMOKRATIEERZIEHUNG „Gemeinschaft“ ist meist eine als solche besonders qualifizierte Gruppe, – nicht jede Gruppe ist „Gemeinschaft“. Beide Begriffe sind im Bereich der Jenaplan-Pädagogik möglich, zumal da es fließende Übergänge gibt. Petersen hat beide Begriffe gebraucht: Der Wechsel etwa von „Gesetz der Gemeinschaft“ zu „Gesetz der Gruppe“ (ab 1932, s.u.) dürfte auf die wissenschaftlichen Entwicklungen der damaligen Zeit zurückzuführen sein, in denen zum ersten Mal gruppendynamische Prozesse zum Gegenstand der psychologischen und pädagogischen Analyse wurden. Gleichzeitig hielt Petersen an seinem „Schulgemeinde“-Begriff fest, in dem der christliche Gemeinschaftsbegriff mitgedacht ist. Der bei Petersen stärkste Bezugspunkt dürfte der der familiären Gemeinschaft mit ihren (guten) Gesetzlichkeiten sein. Wie wir heute besser wissen, muss sowohl die soziologisch zu erfassende „Gruppe“ als auch die „Gemeinschaft“ vor möglichem politischen oder menschlichen Missbrauch geschützt werden, – und zwar immer und überall in der Welt. Werden die universellen Kinderrechte zur Grundlage und zum Leitfaden gemacht, wie im Jenaplan 21, dann ist sowohl Entwicklung der Kinder in einem „geschützten Raum“ möglich, zugleich die Öffnung dieses Raums gegenüber der Welt – mit ihren vielfältigen Möglichkeiten zum Wachsen und Lernen. Gleichzeitig müssen durch die Praxis des alltäglichen Miteinanders, der verschiedenen Kreisgespräche (z.B. auch von ad hoc einzuberufenden Planungsgesprächen) alle in der Gruppe anstehende Fragen auf eine humane und demokratische Weise erörtert und gelöst werden. Dasselbe gilt für Fragen, die aus der größeren Schulgemeinschaft kommen und die auch eine Meinungsbildung der Stammgruppen und ihrer SchülerInnenvertreter erfordern. Die „Stammgruppe“ mit ihrer pädagogisch gewollten Altersmischung und ihrem „eingebauten“ Rollenwechsel der SchülerInnen im Laufe des Dreijahreszyklus ist eine geniale pädagogische Erfindung mit einem enormen Potential für die Persönlichkeitsentwicklung und für kooperatives Lernen.
Gruppe und Gemeinschaft bei Petersen (1984):
Führung zur Autonomie einer lernenden Gruppe bei Petersen (1926/1930/1942):
Kees Both (2009), Die Schule als Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Zur Diskussion um die Wertebildung durch Schule:
Kees Both (2001), Freiheit und Verbundenheit im Jenaplan
Hartmut Draeger (2013), Der Jenaplan und die Rechte des Kindes (Aus: KINDERLEBEN. Zeitschrift für Jenaplan-Pädagogik H.36. Mai 2013, S.4-26):
Hartmut Draeger [2014], Elemente demokratischer Erziehung im Jenaplan:
Ad Boes (2005), Jahrgangsübergreifende Lerngruppen – Paradigma für eine Schule der Zukunft
Kees Both (2010), Vorteile der jahrgangsübergreifenden ‚Stammgruppe’:
Susanne Herker (2005), Heterogenität akzeptieren… – Altersheterogenität als Chance. In: KINDERLEBEN. Zeitschrift für Jenaplan-Pädagogik , H. 22, S.12-18
Jahrgangsübergreifendes Lernen und moderne Identitätsbildung:
Kees Both (2002), Internationales Lernen: Vorbemerkung: Der integrale Text mit den vollständigen Grafiken befindet sich in KINDERLEBEN. Zeitschrift für Jenaplan-Pädagogik H.16, S.6-19. 24-33
Geert Bors (2016), Interview mit dem belgischen Soziologen Orhan Agirdag: Für Kinder ist Schule „die Gesellschaft“
Hartmut Draeger (2016), Integration mit dem Jenaplan. Zur neuen Herausforderung für die Schulen mit vielen Flüchtlingskindern
Hartmut Draeger (2017), Vergleich „Normalschule“ – Jenaplanschule
INKLUSION
Die wesentlichen Schlüsselelemente einer inklusionsfreundlichen Pädagogik sind historisch bereits in der Universitätsschule Peter Petersens praktiziert (s. Barbara Kluge 1992 und Hein Retter 2010b) und im Kleinen Jenaplan begründet.
Peter Petersen schrieb zur Inklusion schwächer begabter SchülerInnen in die „Normalschule“:
„Es ist eben nicht so sehr die Frage der Begabung, um die es gehen sollte, als die des Menschen selbst. Wer jene schulmäßig wenig Begabten sich in ihrer Weise frei und froh ohne Anzeichen irgendwelcher seelischen Gedrücktheit unter den Mitschülern bewegen sieht, versteht, was ich meine. Sie können in dem reicheren Arbeitsleben der Normalschule vielseitiger und auf natürliche Weise lernen, auswählen, was ihnen zugänglich ist, und in ihrer Art dem freien Bildungserwerb nachgehen. Stets findet sich Gelegenheit, sie mit ihren Fähigkeiten einzustellen: mit einem Vortrag über sie besonders interessierende Dinge, mit praktischer Handarbeit, im Chor, im dramatischen Spiel usf. usf. Dazu sind sie ein Anlass für reifere Mitschüler, sich ihrer anzunehmen, mit ihnen dies und das durchzuarbeiten. Didaktisch wie pädagogisch wirken jene sich an ihnen wertvoll aus, und das Bild wirklichen Menschenlebens wäre wiederum nicht vorhanden, fehlten diese sog. Hilfsschüler, die nun hier zu Schülern werden, die im besonderen der Hilfe aller Glieder der Schule bedürfen und dadurch einen sittlich wertvollen Teil bilden.“ (Peter Petersen, Der kleine Jenaplan, 1965, S.19)
Heute setzen die bekannten Inklusions-Forscher Ines Boban u. Andreas Hinz bestimmte pädagogische Strategien und Konzepte zum Anliegen der Inklusion in Beziehung (s.u.!): „Gewaltfreie Kommunikation“ – schulpraktisch gewendet – wird zur „Lebensbereichernde(n) Pädagogik“, mit Empathie, gegenseitiger Hilfe und Gemeinschaftsbildung, Partizipation und dialogischer Kommunikation, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und einer demokratischen Schule. Auch adäquate Gruppenbildung und kooperatives Lernen sowie die Verankerung inklusiver Werte gehören zu einer solchen Pädagogik. Hier finden sich also die wesentlichen Elemente einer humanen Pädagogik, wie wir sie auch vom Jenaplan 21 und seinen Basisprinzipien her kennen.
Zum neuen „Index für Inklusion“ siehe auch www.montag-stiftungen.de !
Ines Boban/Andreas Hinz(2011), Schlüsselelemente inklusive Pädagogik