SPIEL

SPIEL

Vorspann
„Das Leben muss als Spiel gelebt werden.“ (Platon)
„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist,
und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. (Friedrich Schiller)

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Peter Petersen beklagt in seiner „Führungslehre des Unterrichts“ , dass die Schule allzu lang und viel zu einseitig die Arbeit als einzige Form des Lernens angesehen habe, die anderen, gleich wichtigen und „zur vollen Menschwerdung unentbehrlichen Formen“ der Bildung habe die Schule vernachlässigt und damit eine unnötige und bittere Härte über den Schulunterricht gebracht. Mit Ironie fügte er hinzu: „Der alte Aristoteles [384-322 v. Chr.] hatte ja Recht: ‚Beim Lernen spielt man nicht. Das Lernen tut weh.‘ “ (Nach Klaßen 1971)

Im Jenaplan-Einführungsprogramm SPIEL von Tom de Boer (hier in kleinen Teilen von Hartmut Draeger übersetzt bzw. zusammengefasst) finden wir eine Reihe von Einsichten und praktischen Tipps, die Schulen helfen können, ihr eigenes Spiele-Repertoire aufzubauen, zu überprüfen und zu erweitern. Darin wird das Spiel als so grundlegend für die Entwicklung von Kindern gesehen und anerkannt, dass die Schule nicht daran vorbei kommt, wenn sie ihrem Unterricht Inhalt und Form geben will.
Die Ziele eines Einführungsprogramms zur Basisaktivität „Spiel“ für Schulen sind u.a. die „Inventarisierung“ und Weiterentwicklung bereits vorhandener Ansätze von Spiel; die Einführung und Ausarbeitung neuer Spielideen und -formen mit den dazu gehörigen Arbeitsformen und Materialien. Zur neuen Spielkultur an einer Jenaplan-Schule gehört auch eine sich hindurch ziehende Lern- und Entwicklungslinie.
Grundsätzliches aus der Einleitung (stark gekürzt, HD):
Im Spiel spricht man von einer doppelten Beziehung zur Wirklichkeit. Es gibt gleichsam zwei Welten: die wirkliche Welt und die des Spiels. In seinem Spiel kann das Kind das grausamste Elend durchstehen und gleichzeitig das Spiel genießen. Das Spiel hat eine Innen- und eine Außenseite. Typisch für die Innenseite ist es, dass es keinen Zwang gibt, – es gibt Freiheit, Raum zu wachsen.
Nur ein Kind, das sich sicher fühlt, kann wirklich spielen. Es muss immer bereit und in der Lage sein, die Wirklichkeit um sich hin zu „vergessen“. Der herausfordernde und einladende Charakter, den eigentlich die ganze Welt für das Kind hat, muss (auch) im Spiel immer gegeben sein. Echtes Spiel hat den Charakter von Unbefangenheit. Das spielende Kind ist frei, ungebahnte Wege zu gehen. Dafür braucht es den notwendigen „Raum“.
Spiel ist zu einem bedeutenden Teil das Spielen-Lernen von unterschiedlichen Rollen: Sie spielen Kuchenbäcker und Landschaftsarchitekten im Sand, Ingenieure in Legoland, Museumseinrichter, Experten für Schafzucht, InterviewerInnen…

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Spiel ist Kommunikation, – und manchmal auch richtig Arbeit!

Spiel als Basisaktivität kommt überall vor: Alles Zusammensein in Kirche, Kneipe, Park oder Theater ist von Spiel durchdrungen.
Die vier Basisaktivitäten Gespräch, Spiel, Arbeit, Feier (bei Petersen „Grundformen des Lebens und Lernens“) kommen in allen Kulturen vor, auch in solchen, die keine Schriftsprache kennen. Sie sind also noch fundamentaler als die „basics“ Lesen, Schreiben, Rechnen. Ohne Basisaktivitäten, die ihre Funktion erfüllen, kommt der ganze Prozess des Lernens weniger gut zur Geltung.
Alle vier Basisaktivitäten sind miteinander verbunden, sie sind komplementär. Man darf auch nicht eines ungestraft außer Acht lassen. Dies gilt auch für Spiel. Zumindest dort, wo wir es mit Kindern zu tun haben.
Das Spiel ist ihre Art zu lernen. Es ist eine Form von Weltorientierung (W.O.), wobei eine stärkere Betonung auf dem Sozial-Emotionalen liegt, dem Kennenlernen seiner selbst und des anderen. Es ist Teil des Lernprozesses im Allgemeinen (die Phase des Suchens und Herumstöberns).
Nehmen wir das Haus mit all seinen Ecken und Winkeln, in dem jemand aufwächst. Wenn man Kinder ihr Spiel-Zuhause zeichnen lässt, bekommt man die prächtigsten Märchenschlösser zu sehen. Mit geheimen Kammern und schaurigen Gängen. Mit langen Treppen und verbotenen Terrainen. Büchlein mit solchen Zeichnungen sollte einmal Architekten angeboten werden, die Häuser und Schulen bauen.
Ich erinnere mich noch an das Dorf, in dem ich als Kind wohnte. Meine Landkarte sah anders aus als die offizielle. Schleichwege durch Hintergärten, Apfelbäume, bösartige Hunde, Wassergräben, die man gerade noch überwinden konnte, Stellen mit intensivem Spielwert, der Hafen, die Ecke des Schulhofes, die „Lügenbank“, das Schlagballfeld, – solche Dinge bildeten die Topographie meiner Spielumgebung. (Bei dieser Aufzählung wird mir bewusst, dass auch eine Reihe Plätze dabei waren, wo Erwachsene „mitspielten“: natürlich beim Apfelklau, aber auch beim Erzählen starker Geschichten auf der „Lügenbank“ und beim Schlagballspielen.)
Wir gehen zur Schule. Was für eine Spiellandschaft finden wir da vor? (Sprechen wir jetzt einmal nicht mehr über die Schule von früher…) Viele Schulen richten ihre Aufmerksamkeit darauf, was es in der unmittelbaren Umgebung hinsichtlich des Spiels zu erleben gibt. Wobei es vor allem darum geht, Möglichkeiten anzubieten. Ebenso wie beim Spielzeug muss nicht alles von vornherein „ausgefüllt“ sein. Es geht gerade darum, dass Kinder selbst ihrer Umgebung Bedeutung verleihen, – dies ist ein wesentlicher Teil des Spiels, daran entwickelt sich die Vorstellungskraft. Und die Bedeutungen verändern sich im Laufe der Zeit wie die Farben eines Zauberballs.

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                                                                                  Anerkennung im Spiel

Auch wenn die ganze Welt ein Spielplatz für unsere Kinder ist, bietet die Straße und der öffentliche Raum oft nicht genug Sicherheit und Struktur für das Aufblühen des Spiels. Gerade diese bietet die Schule in besonderem Maße. Sie denkt nach über den Wert des Spiels, formuliert Ausgangspunkte und Ziele, Werte und Normen. Sie kreiert „Spiel-Raum“ und begleitet die Entwicklung. Sie analysiert das Spiel und übt Techniken. Sie wehrt der Gewalt und schützt vor Gefahr. Sie sucht neue Möglichkeiten, wo die Entwicklung in Stereotypen erstarrt. Kurzum: Sie organisiert, generiert und reflektiert.
Sicher wird eine Jenaplanschule auch Spielmöglichkeiten in der Schule Beachtung schenken. Spielecken, Puppenecken, Bauecken und Puppentheater sind nicht auf die Unterstufe (2-jähr.Vorschule) beschränkt. Auch die Benutzung des Spielzimmers ist nicht mehr allein das Vorrecht der Kleinen.
In Jenaplanschulen ist das Spiel „kompex und verwoben“ im Unterricht präsent. Tom de Boer entscheidet sich besonders für das Drama als „roten Faden“, das auch viele Berührungspunkte und Überlappungen mit anderen Formen des Spiels aufweist.

Im Rahmen der Stammgruppe sollten Gruppenziele sein:
Spiel als Kommunikationsform;
Spiel als Mittel zur Orientierung;
Spiel als Mittel zu kreativer Gestaltung.
Rolle und Funktion des Lehrers verändert sich grundlegend in dem Augenblick, in dem die „Übernahme“ des Spiels durch die Kinder erfolgt. Der Gruppenleiter wird nun selbst Teil des Prozesses, den er selbst in Gang gesetzt hat…
Eine Art Karteikarte zur fortlaufenden Beobachtung der einzelnen Schüler dient dem Überblick über die Entwicklung der einzelnen Kinder im Spiel.
Die Ziele hinsichtlich der einzelnen Schüler sind etwa die folgenden:
Spiel als Motor der Entwicklung (physisch, mental, sozial, kognitiv etc.);
Spiel als Ausdrucksmittel der eigenen Identität;
Spiel als Mittel zu persönlicher Stellungnahme zur Wirklichkeit;
Spiel als Mittel zu Befriedigung von Grundbedürfnissen, wie ’selbständig aktiv sein‘, ‚Bewegungsdrang‘ und ‚Zusammenarbeiten‘.

Orte von Spiel in der Schule
Zum einen hat das Drama einen hohen Stellenwert.
Dann gibt es sich durchziehende Spielprogramme (spellijnen). Diese – vom Kollegium nach den eigenen Intentionen entworfen – sollen Themen veranschaulichen, wie sie in der ganzen Schule realisiert werden.
Beispiele hierfür sind: Puppenspiel (Puppenecke, Kasperletheater, Handpuppen, Marionetten, Masken, Schattenspiel etc.);
Bauen (sowohl zwei- als auch dreidimensional, Mosaiken, Fliesenmuster, Bauen mit
Bauklötzchen, Baumaterial, Bauen mit natürlichen Materialien etc.);

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Vorausschau und Zusammenspiel am „Bau“

freies Spiel; Spiel im Freien;
Spiel als Teil von ‚Weltorientierung‘ und als Arbeitsform
Tatsächlich ist Spiel (auch) eine Form von ‚Weltorientierung‘, von fächerübergreifendem, projektorientiertem Lernen.
Spiel ist auch Arbeitsform:
das ‚Erzählende Entwerfen‘ (storyline-approach, „Glasgow-Methode“);
Formen der Erkundung von Kultur;
Sprachspiel,
die wichtige Rolle, die Sprache beim Spiel spielt wird regelmäßig thematisiert. Auch innerhalb der Sprache selbst wird gespielt.
Spielerische Mathematik
Mit Mengen und Formen kann gespielt werden.

Praxisbeispiele zur Spielkultur an Jenaplan-Schulen (Tom de Boer)

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Spielkultur in biblischen Zeiten: „Die spielenden Kinder auf dem Marktplatz“

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